Vollbärtige Meerjungfrauen und wissende Füchse: Gnarly

StreetArt ist ein Spiel – es wird viel gebastelt und auch ausprobiert. Die Szene ist in vielen Fällen von Männern dominiert. Eine Ausnahme ist Gnarly, die seit einigen Monaten Halles Außenwände verschönert und zum Nachdenken anregt. Im Interview verrät sie uns ein wenig über sich und ihre Ideen.

Wer bist du? Wie sieht dein normales Leben aus?

Gnarly kam dieses Jahr auf die Welt. Sie ist ein StreetArt-Baby, das aus der Realisierung geboren wurde, dass Angst eine Illusion ist. Gnarly skatet, tanzt, liest, schaut, spielt, atmet und liebt an nationalen und geschlechtlichen Stereotypen vorbei.

Seit wann bist du in Halle? Warum bist du hier her gekommen?

Halle beherbergt mich seit sieben Jahren. Ich kam, um zu lernen.

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Gnarly mit ihrem Fuchs …

Wann und warum hast du mit StreetArt angefangen?

Am Anfang war das Erwachen. Jedes gesunde Gehirn scheidet nach Jahren stumpfen Einhämmerns von Informationen irgendwann einmal das Unverdauliche aus. Was übrig bleibt sind Lebenserfahrungen, der Geschmack von Eis in der Waffel und nasse Füße. Und dann folgt das Begreifen, was das wirklich Wichtige im Leben ist. StreetArt ist eine Lebenshaltung. Die Kritik am Status Quo und das Streben nach einer humaneren Welt gehören nicht in die Hände ein paar Weniger hinter verschlossenen Türen. Was ich gelernt habe, möchte ich teilen und resultiert in Farbe auf Grau, Chaos in Ordnung, Reflexion im Pragmatismus.

Die meisten Arbeiten, die ich von dir kenne, sind Stencils – warum?

Gnarly geht gerade ihre ersten Schritte. Einer nach dem anderen. Basteln wird ja grundsätzlich unterschätzt. Es geht hier nicht, wie sonst immer, um einen Wettbewerb. Was zählt, ist das Aufsprengen von Grenzen (bzw. das Sichtbarmachen, dass es sie gar nicht gibt), um Präsenz, Provokation und Plakativität. Und Puzzeln. Irgendwann wird Gnarly vielleicht auch noch lernen Fahrrad zu fahren.

Welche Themen verarbeitest du in deinen Stücken und was ist das Ziel, das du mit deinen Stücken verfolgst?

Gnarly spielt gerne. Besonders mit gesellschaftlichen Konzepten. Das Wichtige in einer Welt, in der alles Menschliche einer bestimmten Funktion untergeordnet wird, ist sich von diesen Vorschriften zu befreien. Gnarly macht das, indem sie auf Agressionen verzichtet, denn es geht ihr eher darum für viele schöne Dinge zu sein und nicht immer nur gegen. Gnarlys StreetArt ist rund, weich und simpel. Sie repräsentiert das, was ihr in einer mechanischen und maskulin-dominierten, urbanen Umwelt manchmal fehlt – ganz nach Urs Widmer, der 1977 schon sagte: “Ich bin zuweilen damit beschäftigt, mir in meinem Kopf drin etwas Schönes vorzustellen, Bäume oder Ozeane oder Luft oder Liebe, weil es da, wo ich wohne, irgendwie nicht immer schön genug ist, zu wenig Bäume und Ozeane und Luft und Liebe.”

Wie würdest du Halle in StreetArt-Begriffen beschreiben?

Ich habe die StreetArt über die Jahre hinweg beobachtet. Am Anfang hatte ich eine gewisse Faszination für die Kreativät und den Selbstmacher-Geist der Stadt. Leider empfinde ich es so, dass in der letzten Zeit die Einzigartigkeit von Ideen und ihre Provokationsfähigkeit immer mehr in den Hintergrund treten. Taggen hat StreetArt überholt. Es ist schneller und ungefährlicher. Ein bisschen so wie hingekotzte Kommentare im Internet. Halle befindet sich demnach in einem StreetArt-Winter … warten wir gespannt auf den Frühling und neue Blüten und Früchte.

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